Hat das Original “Identität” mit sich selbst?

„Alles Gesprochene ist vage“, sagt Konfuzius. Jedes Wort ist mittelbar, der Gedanke selbst ist metaphorisch, und ein jedes Bild der Welt bleibt schemenhaft. Die ernste Frage lautet: Kann die Welt, wie ich sie sehe, ein anderer überhaupt sehen? Kann Sprache ein identisches Abbild der Realität erzeugen? Oder sind ein Verstehen-Wollen und das anmaßendere Verstanden-werden-zu-wollen illusorisch, und die Sprache an sich nicht eher die Quelle aller Missverständnisse?

Bob Dylan zersägt seit Jahren auf der Bühne seine Stücke in seinem ihm eigenen dylanesken Dekonstruktivismus. Es mag einem gefallen oder nicht, doch er tut es bewusst, denn er weiß, dass viele seiner Lieder keine Identität mehr mit seiner eigentlichen Intention zum Zeitpunkt der Erstehung haben.

Leonard Cohens Lyrik ist eine andere. Seine Arbeitsweise ist eine andere. Seine Herangehensweise ist eine ganz andere. Bob Dylan hat in vergleichbarer Zeit das Vierfache an Songs wie Leonard Cohen herausgebracht. Darüber amüsierte sich Leonard Cohen selbstironisch in einem Interview: Während er nach einem Konzert auf dem Weg zurück ins Hotel über ein Wort oder eine Zeile eines Gedichtes sinnierte, hätte Dylan schon ein oder zwei Lieder fertig geschrieben.

Leonard Cohen ist Lyriker, er ist Poet. Er arbeitet an Gedichten meist jahrelang; nicht selten muss ein Lied über ein Jahrzehnt "gären", bis es zu der Reife gelangt, die seinen Ansprüchen einer Veröffentlichung genügt. Am Ende ist es wie in Stein gemeißelt. Cohen sucht das Zeitlose, das ewig Gültige. Leonard Cohen ist ein Handwerker. Das ist ein Kompliment, das ihm eventuell selten gemacht und ihn dennoch hoch erfreuen wird.

Cohens ultimative Ansprüche an sich selbst und seine Lieder setzen die Messlatte eines jeden Versuchs einer Übertragung außergewöhnlich hoch. Leonard Cohens Zweifel und Sorgen, was eine Übertragbarkeit seiner Lieder in andere Sprachen anbelangt, sind vollkommen nachzuvollziehen. Um es vorwegzunehmen: Cohen hat Recht, es kann keine "identische" Übersetzung geben, weder seiner Songs noch anderer.

Doch wohin führt das? In Defätismus auf der einen Seite, demzu-folge eine jede Übersetzung abzulehnen ist? In Willkür auf der anderen Seite, da ja alles völlig beliebig scheint? Konfuzius hatte es gewusst und eindringlich gemahnt: "Wenn die Begriffe nicht klar sind, breitet sich Unordnung aus."

Die Antwort liegt in Wissen und Arbeit, in Akzeptanz und Gnade. Die ganze Menschheitsgeschichte beruht auf Übersetzungen, oft auf sehr mangelhaften. Seit tausenden von Jahren quälen sich die Übersetzer unserer Welt mit diesem Dilemma, "Identität" zwischen zwei Sprachen (oder mehreren) herzustellen zu versuchen, bis erkannt wurde, dass der Begriff „Identität" das eigentliche Dilemma ist. Begriffe zweier Sprachen haben keine Identität, sie haben nur eine gemeinsame Schnittmenge unterschiedlicher Deckungsgröße. In den Übersetzungstheorien hat der Begriff "Identität" keine Relevanz mehr. Die Aufgabe: "Versuche Dantes 700 Jahre alte im florentinischen Alt-Italienisch geschriebene „Göttliche Komödie“ „identisch“ zu übersetzen" ist doch nur ein Erstsemesterwitz. Oder eben ein guter Einstieg in tiefergehende sprachphilosophische Diskurse.



Wer kennt das nicht? Wir hören ein Lied in einer fremden Sprache, so fremd, dass wir nicht einmal wissen, welche Sprache das ist, in der der Sänger oder die Sängerin leidet, sich freut oder vor Sehnsucht windet. Vielleicht prasselt auch noch grade ein Regen oder der Wind zieht durch die Bäume, die Intensität der Umgebung des Vortrags des Geschehens reißt uns mit, wir sind seltsam berührt. Wir haben grade ein Stück Lyrik erfahren. Und doch: Wir haben kein Wort verstanden.

In einer Prosa-Übersetzung, einer so genannten „Arbeitsüber-setzung“, eines lyrischen Gedichtes kann eine Übertragung der Magie eines Liedes niemals funktionieren. Eine Arbeitsübersetzung ist gar nichts, bestenfalls in der Funktion des ersten Arbeitsschritts einer poetischen Übertragung hat sie ihre Existenzberechtigung. Die Menschen, die die Sprache des Ausgangstextes, hier Englisch, verstehen, haben sie nicht nötig. Die, die die Sprache des Ausgangstextes nicht verstehen, lässt so eine Arbeitsübersetzung meist sehr enttäuscht zurück.

Warum? 

Lyrik ist Musik. Sie will erlebt werden, sie kann gehört werden. Sie ist Rhythmus, sie ist Klang, sie ist Kabbala, sie ist Zahlenmystik, sie verweist auf die Dinge hinter den Worten, sie spiegelt himmlische Zusammenhänge, sie ist reine Physik. All das und noch viel mehr verbirgt sich hinter Lyrik, sie ist Magie, sie ist erlernbarer Zauber. Lyrik und Musik werden als Ganzes wahrgenommen, weil sie etwas auslösen, am cognitiven System des Zuhöres oder Rezipienten vorbei. Einen wahren Rausch an Assosiationen und Vorstellungen, was der Sänger da wohl singt, können sie bewirken. Manchmal hervorgerufen durch einen Wortfetzen, den man vielleicht doch verstand, manchmal durch die ganz eigenen Bilder im Kopf. Diese allumfassende Magie des Originals auf den Zielsprachetext, hier Deutsch, zu übertragen, das ist Wissen wie auch hohe Schule der Kunst.


 
Formale Kriterien der poetischen Lyrik-Übersetzung sind:

  1. Vers & Refrain

  2. Rhythmik & Metrik & Versmaß

  3. Reim & Klang

Ohne hier einen definitorischen Exkurs über oben angeführte Begriffe zu führen, darf festgestellt werden: Wer nicht die formalen Kriterien erfüllt, der ist es nicht wert, unsere Zeit zu rauben. Doch die, die da glauben, das wär’s – die Arbeit ist mit irgendwelchen rhythmisch passenden lousy lyrics, nur um all die credits zu bekommen, getan, irren sich gewaltig.

Ernsthafte Geister wissen: Die harte Arbeit beginnt jetzt. Denn die Erkenntnis der Unmöglichkeit einer Identität führt keinesfalls ins Beliebige; vielmehr ist der wesentliche Begriff des Maßstabs einer gelungenen Übersetzung ein anderer: Adäquatheit.

Die knappe Formel lautet: Das Translat - der Text in der Zielsprache, hier deutsch - muss auf vielfacher Ebene Adäquatheit mit dem Ausgangstext aufweisen; im Focus des Übersetzers muss immer die Intention des Autors des Originals stehen, doch der Übersetzer trägt die Verantwortung, all das anhand gegebener Kriterien in die Verständniswelt der Zielsprache zu transferieren.

Kriterien für eine hoch qualititative poetische Übersetzung

4. Übereinstimmung mit dem Original (soweit wie immer möglich)

5. Verschieden in Worten, aber äquivalent in der originalen Intention

6. Äquivalenz im Gebrauch der Metaphern

7. Äquivalenz in den kulturellen und religiösen Bezügen

8. Das Translat, also der Zielsprachen-Text, muss in seiner lyrischen Kraft wie ein poetisches Orginal klingen und wirken.

9. Der Sänger des Lieds sollte in den Kontext eingewiesen sein, das heißt, er bestimmt durch seine Interpretation noch einmal eine neue Ebene der Wirkung des Textes.

Wenn es auch keine allgemeingültige einzige identische Übersetzung geben kann, so gibt es doch gute und schlechte Übersetzungen. Vor diesem Hintergrund erheben die hier dargebotenen Übertragungen den Anspruch, sich den genannten Kriterien stellen zu können. Denn sie basieren auf Wissen, harter Arbeit, den gleichen kulturellen Bezügen sowie auch auf Talent (so hofft man immer.)




Does the original have "identity" with itself?

"Everything spoken is vague," said Confucius. Each word is indirect, the thought itself is metaphorical, and each image of the world is unreal. The serious question is this: Can someone else see the world as I see it at all?  Can language reflect an identical image of reality? Or is the wish of understanding and the more hubristic wish of being understood illusory, and the language is nothing but the source of all misunderstandings?

For many years Bob Dylan has sawed and dissected his songs on stage in his own dylanesk deconstruction. Whether you like it or not, he does it deliberately, knowing that many of his songs do correlate only to his intentions of the days when they were first written: But they don't have identity with themselves anymore.

Leonard Cohen's poetry is of another kind. His approach is different. His method is quite different. Bob Dylan released four times as many songs as Leonard Cohen in a comparable period of time. As Leonard Cohen himself self-mockingly mentions in an interview: In the time he ponders over a line or a word of a poem - after a concert on his way back to the hotel -, Dylan would complete two entire songs.

Leonard Cohen is a poet, he is deeply into lyrics. He often works on a single poem for many years; not seldom does a song have to “ferment” for a decade until it reaches the maturity that fulfils his criteria for a publication. In the end it's like it’s set in stone. Cohen seeks the timeless, the everlasting. Leonard Cohen is a craftsman, a manufacturer of words. That is a compliment that is maybe rarely paid to him; but will hopefully still please him.

Cohen's ultimate demands on himself and his songs set the bar for any attempt of a translation very high. Leonard Cohen’s doubts and concerns as to whether other language versions of his songs can truly be the same are completely understandable. To clarify: He is right; there could never be a one hundred percent "identical translation".

Where does it lead us from here? Into defeatism on the one hand, thus rejecting any form of translation? Into arbitrariness on the other hand, because everything seems to be completely haphazard? Confucius had known this, he warned sternly: "If the terms are not clear, disorder will spread."

The answer lies in knowledge and work, in acceptance and grace. The whole history of mankind is based on translations, often on very poor ones. For thousands of years the translators of our world agonize over this dilemma, trying to create "identity" between two or more languages​​, until it was recognized that the term "identity" is the real dilemma itself. The terms of two languages ​​have never ever no identity, they have only an overlap of varying degrees (a common intersection). In the translation theories the term "identity" does not have any relevance anymore. The exercise: "Produce an identical translation of Dante's 700 year old Divine Comedy written in Florentine old Italian", is nothing but a joke for a freshman. Or a good introduction to a more in-depth philosophy of language discourse.






Who doesn't know this: We hear a song in a foreign language, so strange that we do not even know what language it is in which the singer is suffering, or the girl is happy or overcome with longing. Maybe there is even rain just pouring down or the wind blows through the trees, the intensity of the environment touches our souls, we are strangely moved. We have just experienced a piece of poetry. And yet, we have not understood a single word.

In a prose translation, called a "working translation", a lyric poem can never ever transfer the magic of a song. A prose translation is nothing! May be as the first working step of a poetic transmission it has a function and therefore has its right to exist. The people who understand the language of the original text, in this case English, do not need a working translation. Those who do not understand the language of the source text will most likely be very disappointed by a working translation.

Why?

Poetry is music. It’s an experience, it can be heard. It is rhythm, it is sound, it is Kabbalah, it is numerology, it refers to the meaning behind the words, it reflects heavenly connections, it is pure physics. All this and much more can hide behind poetry, it is magic, it is a learnable spell. Poetry and music are perceived as a whole, because they trigger something in the cognitive system of the listener or recipient. That could arouse a rush of associations and ideas of what the singer is singing about. Sometimes caused by word fragments, which you can perhaps understand, sometimes by the images in one’s head. To transfer this all-encompassing magic of the original text to the target language, in this case German, is knowledge as well as the high school of arts.






Formal criteria of a poetic translation are:

1.      Verse & Chorus

2.      Rhythm & Metrics & Measure

3.      Rhyme and Tone

Without going into a lecture on above terms, it has to be stated clearly: If someone doesn’t fulfil these basic structural criteria, he’s not worth our time. And anyone who thinks that there is not much more to it than writing rhythmically suitable but lousy lyrics for a famous song in order to get the credits, is in the wrong.

Serious minds know:  the hard work only just begins. Because the recognition of the impossibility of one hundred percent "identity" does not mean: anything could be done. In fact the essential benchmark of a successful translation is another one: adequacy.

To summarize a formula: The translat - the lyrics in the target language, here German - must show under multiple aspects adequacy with the original text; the intention of the author of the original must always be in the translator's focus, but he's the one who is responsible under the given criteria for the transfer into the comprehension of reality and the understanding of the target language. 


Criteria for a good translation of a poem are:

4. Accordance with the original (as far as possible)

5. Different in words but equivalent to the original intention

6. Equivalent in the use of metaphors

7. Equivalent in the cultural and religious references

8. The target-language poetry must sound ‘like it were an original’

9. The singer of the song should be briefed and instructed to follow the interpretation.

Even though there can’t be the one and only universal identical translation, there are good and there are bad translations. On this serious related note, the here given transformations claim to be of very high standard, because they are based on knowledge, hard work, the same cultural references as well as on talent (so we always hope).